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Die anderen ...
Ulli
Der Tod von Ulli war der Erste, der mir so richtig unter die Haut ging.
Nach viel Training, und nach langen Versuchen meine Angst zu ueberwinden,
war ich endlich so weit. Ich fuehlte mich stark genug, die "Direkte
Martinswand" zu klettern. Diese Route war nicht mehr Durchschnitt:
Extrem ausgesetzt, eine Verschneiung im VI.-VII. Schwierigkeitsgrad, mit
einer 50m-Querung durch einen Ueberhang.Beim Jungmannschaftstreffen am
Mittwoch wussten die meisten noch nicht genau, wo es am Wochenende hingehen
sollte.Ulli, ein gutes Jahr aelter als ich, aber schon lange "am
Fels", wollte zwar etwas mit Michi machen, aber die Plaene waren
noch nicht fix.Als ich am Samstag Abend dann mit feuchten Haenden alle
Freunde durchtelefonierte, waren alle schon vergeben oder keine Lust auf
so was Scharfes. Auf den Kommentar meiner Mutter "Lass es doch. Wenn's
nicht sein soll, so ist es vielleicht eh besser wenn du nicht gehst"
antwortete ich "Ich probier' nur noch bei Ulli. Der hat die Route
schon ueber 25x gemacht, dem kann da nichts passieren." Aber unter
Ullis Nummer meldete sich niemand am Telefon ....
Durch das Weinen meiner Mutter werde ich am naechsten Morgen geweckt:
"Jemand von die Haller ist gestern an der Martinswand toedlich abgestuerzt.
Sie wissen noch nicht, ob es der Michi oder der Ulli war. Oh mein Gott
!"
Es war dann Ulli. Michi, ein enger Freund unserer Familie, hatte am Vortag
- in der "Direkten Martingwand" am Standplatz nach dem 50m Ueberhang
das Seil eingezogen - und hatte ploetzlich das Seilende in der Hand. Was
mit Ulli geschehen war - wir werden es nie genau wissen. Manche spekulierten
auf einen Selbstmord, da Ullis Bruder und sein bester Freund ein Jahr
vorher in der gleichen Route beim Abseilen abgestuerzt waren, als der
Abseilhaken - an dem beide hangen - ausbrach. Aber der letzte Blick vom
Michi auf Ulli sah ein lachendes, aufgewecktes Gesicht. So jemand springt
nicht einfach runter. So jemand will Leben. Meine Vermutung ist,
dass Ulli wie so oft einen Brusik-konten zum Einbinden verwendet hatte,
ihn aber nicht doppelt nachgfuehrte. So ein Knoten kann dann bei einer
Belastung in die falsche Richtung leider aufgehen. Der erste Verlust meiner
bergsteigerischen Unschuld: "Der Ulli hat die Route schon ueber
25x gemacht, dem kann da nichts passieren."
Noch Wochen spaeter konnte ich nicht glauben, dass Ulli tot war. Das
kann doch nicht einfach so vorbei sein, er kann doch nicht einfach im
einen Moment da, und im naechsten Moment dann weg sein!
Und trotzdem: wenn ich damals bei der Arbeit, beim obligatorischen Militaerdienst,
meinen Vorgesetzten betrachtete so glaubte ich doch, dass Ulli richtig
gelebt hatte: er war so aktiv, so lebendig, so voller Energie, dass jede
Sekunde echt war. Im Gegensatz dazu mein Vorgesetzter im Buero: bei einer
Groesse von unter 160 cm ein Lebendgewicht von ueber 100 kg, bei der geringsten
Anstrengung keuchend und verschwitzt, und in seinem Leben als Interessen
nur das Essen, das Fernsehen und das Schlafen. Da schon lieber intensiv
leben, auch wenn man einen fruehen Tod riskiert.
Rolf und Senta
Rolf war die Erfahrung in Person: Erstbegehung vom Lotse Shar (ein Nebengipfel
vom Lotse - und auch als Nebengipfel noch ueber 8'000m hoch); viele Touren
in den Westalpen, "kurze Durchsteigungen" der Martinswand (welche
600 Hoehenmeter hoch ist, die Haelfte davon senkrecht) vor dem Weg zur
Arbeit (wirklich, das ist kein Witz!). Eine Anekdote von ihm ist mir in
Erinnerung geblieben: Rolf war in der "Knapp-Koechler"-Route
am Schuesselkar mit Peter unterwegs, als ihm bei der technischen Durchsteigung
des Schluessel-Ueberhangs der einzige Haken rausbrach. Seine Reaktion:
kein Schock vom Sturz, aber Aerger ueber diesen "Scheiss-Haken".
Nicht so mit Rolf! Wenn die Haken nicht wollen, dann muss es halt ohne
Haken gehen! - und er kletterte frei durch den ganzen Ueberhang.
Die Situation am Peuterey-Grad war nicht mehr so einfach auszubuegeln:
Klaus
Klaus verunglueckte beim Abstieg vom Predigtstuhl toedlich, vor den Augen
seines Sohnes. Beim Abstieg brach ein Griff aus, und.Klaus fiel ohne einen
Schrei runter. Nach 50m war er nicht mehr zu sehen.OK, eigentlich sollte
man beim Klettern immer angeseilt sein. Aber der Abstieg war ja nur im
III.-IV. Grad, also Gelaende, in dem man immer die vollte Kontrolle hat
- oder glaubt zu haben.
Klaus, der schon auf Expeditionen in S-Amerika gewesen war, der Routen
wie den "Albtraum" in der Laliderer N-Wand gemacht hatte, und
der auf den Skitouren immer eine unbaendige Energie ausstrahlte. Das Bild
von ihm, welches bei mir haengen geblieben ist: Ich stehe nach der Messe
vor der Kirche. Als Klaus aus der Kirche rauskommt und mich sieht kommt
er zu mir her und schuettelt mir die Hand. Seine Hand ist stark, sicher,
und bestimmt.Eine Hand, in die man sein Leben legen wuerde.
Als ich von seinem Tod erfahre, sitze ich auf einem hellen Sofa, in unserem
kleinen Wohnzimmer in Zuerich. Draussen scheint die Sonne; in mir drinnen
wird es Schwarz.
Harald
Jean und ich sahen Harald das letzte mal vor unserer Abreise nach Paris.
Wir waren gemeinsam zum Abendessen bei Knapp Ernst. Wein, Gelaechter,
gemuetliches Beisammensein. Auch wenn viele unserer Freunde schon nicht
mehr dabei waren.
Harald wollte eigentlich nichts Gefaehrliches mehr klettern, wollte nur
mehr Sportklettern. Nur die eine Route, King Crimson in den Kalkkoegeln,
wollte Ihm aber nicht aus dem Kopf gehen. Es war zwar nicht leicht, jemanden
zu finden. Aber dann erklaerte sich Klaus bereit mitzukommen. Wie der
Sturz dann genau abgelaufen ist hat niemand mitbekommen. Harald sass in
einem Haken, und studierte die Routenskizze. Als er weiterklettern wollte,
ueberpruefte Klaus die Sicherung. Er hoerte was, blickte auf, und in dem
Moment schlug Harald auf einem Absatz unter ihm auf. Vermutlich hatte
er sich kurz nach hinten gelehnt, um einen Ueberblick ueber den weiteren
Routenverlauf zu bekommen. Der Haken, an dem er hing, war - von aussen
unsichtbar - von hinten her erodiert, und loeste sich vermutlich bei der
Belastung nach aussen.
Als wir aus Paris zurueckkamen war Harald im Friedhof aufgebahrt. Wieder
traf man die Kletterpartneram Friedhof , wieder einer weniger.
Harald starb am 12.8.1995
Stefan und Karim
Stefan und Karim stuerzten nicht gleichzeitig ab. Karim kam
zuerst.
Er war mit Klaus, Stefans Bruder, an diesem Tag in der Ortler N-Wand unterwegs.
Die Verhaeltnisse waren an diesem Tag optimal: gutes Wetter, griffiger
Firn, ein Traum in Weiss. Sie kamen auch super voran.Im oberen Wandteil
kam dann ein kurzer Eisaufschwung. Aber wegen ein paar Metern braucht
man ja kein Seil. Konzentriert und Aufpassen, das sollte eigentlich genuegen.
Wenn man schnell ist, ist man schnell aus der Gefahr herausen. Ausser
etwas Ungeplantes passiert.
Am Ende vom Aufschwung kam ein kurzes, vertikales Stueck. Karims rechter
Pickel brach aus, er klappte rechts auf, konte sich nicht stabilisieren,
und stuerzte. In diesem Gelaende bleibt man nicht mehr liegen - Karim
war tot.
Karim starb am 29.5.1999
Stefan, Harald's juengerer Sohn, rutschte im Wilden Kaiser
bei einer Solotour im Fels aus. Am gleichen Tag, als Kurt im Wetterstein
durch Steinschlag getoetet wurde.
Eine Saison vorher hatte Stefan im Halltal, an der Winklerwand noch eine
neue Route eroeffnet: "Ja hoi, Karim!", eine Gedenkroute fuer
Karim. Eigentlich wollte ich diese Route mit Christian klettern. Sonniger,
steiler Kalkfels, in der Gegend, in der wir die Berge kennengelernt haben.
Nun ist auch Stefan tot. Macht es da noch Sinn, Ja hoi, Karim zu
klettern? Als ich Stefan ein Jahr vorher nach einer Skitour fragte, warum
er noch klettert, sagte er: "Ich mach' ja nichts gefaehrliches, so
wie der Papa und wie Klaus. Ich gehe nur Sportklettern."
Fuer Erika, Harald's Frau, ist das Leben unwirklich geworden:
viele Freunde sind viel zu frueh abgestuerzt. Nun auch ihr Mann, ihr juengerer
Sohn, der Partner vom anderen Sohn, ......
Andi
Andi war eigentlich kein Freund von mir, eher ein Bekannter,
den man immer wieder auf den Parties traf. Andi hatte Pech, wirklich Pech.
Wem von uns ist denn schon ein Kletterer auf den Kopf gefallen? Mir auf
alle Faelle nicht, obwohl ich viel am Berg unterwegs war.
Andi war am Biancograt unterwegs. An einer Stelle gibt es da einen Felsaufschwung.
Andi folgte der Vernunft, und entschied sich ein Seil zu verwenden und
diesen Aufschwung gesichert raufzuklettern. Eigentlich eine gute Idee.
Aber als er gerade dabei war sich einzubinden, stuerzte der fuehrende
Kletterer der Partie vor ihm. Er stuerzte auf Andi, stiess ihn dadurch
vom Grat - Andi war tot.
Martin
Martin war ein paar Jahre juenger als ich. Wir waren gemeinsam
Ministranten, zusammen auch bei einigen der Ministrantenlager, welche
fuer viele von uns die ersten Zeltferien draussen in der Natur darstellten.
Andi war eigentlich kein Kletterer, aber er war gerne am Berg unterwegs.
Bei der Ueberschreitung von der Wechsel auf den Bettelwurf gibt es einen
kurzen Felsaufschwung. Wir wissen nicht, ob Andi ausgerutscht ist, durch
einen ausgebrochenen Griff das Gleichgewicht verloren hat, oder durch
Steinschlag rausgespeckt wurde. Was wir wissen ist nur, dass er an dieser
Stelle abgestuerzt ist, und dass er tot ist.
Die "unbekannten" Kletterer
Bei manchen kenne ich nicht mal den Namen. Da war z.B. der
Kletterer am Bauernpredigtstuhl. Florian und ich waren gerade am Weg zum
Einstieg, als von droben jemand bruellte "Hilfe! Wir brauchen einen
Helikopter! Hilfe! Hilfe!" Ich warf meinen Rucksack in den Schnee,
und lief so schnell ich konnte runter, zur ca 400 Hoehenmeter tiefer liegenden
Huette. Auf halbem Weg sah ich weit drunten jemanden, blieb stehen, und
rief mit meiner verbleibenden Luft um einen "Rettungshubschrauber
fuer den Bauernpredigtstuhl". Durch die extrem gute Organisation
der Tiroler Bergrettung kam der dann auch in weniger als einer halben
Stunde. Der Kletterer, welcher aus ca 14m Hoehe gestuerzt war, und dem
im Spalt zwischen Schnee und Fels Brustkorb und Kopf (der Helm war beim
Sturz runtergefallen) zerdrueckt worden war, wurde verpackt, und an einem
Stahlkabel befestigt, welches von einer Winde im Helikoter kam. Die Rotorblaetter
des Helikopters waren dabei zum Teil weniger als einen Meter vom Fels
entfernt. Florian und ich stiegen zwar in die Direkte W-Wand am Bauernpredigtstuhl
ein, trotz diesem Unfall, und trotz dem sehr nebeligen Wetter. Aber nach
wenigen Seillaengen hatten wir genug und seilten an.
Am Abend wurde dann in den Lokalnachrichten mitgeteilt, dass der Kletterer
auf dem Transport in die Klinik verstorben ist.
Ein Jahr spaeter war ich wieder mit Flo unterwegs. Diesmal
in Arco, unser Kletterparadies im sonnigen Sueden. Am ersten Tag ging
es am Tag durch die senkrechte "Via Somadossi", und am Abend
in eine der Pizzerias in der Altstadt, zu Pizza, Wein und Capuccino. Am
naechsten Tag wollten wir dann was anderes klettern, und entschieden uns
fuer die Via Renata, einer ca 14 Seillaengen lange Plattenkletterei
weiter noerdlich im Sarcatal. Als wir ungefaehr in der Wandmitte angelangt
waren, sagte Flo: "Du schau amal, was mechen denn die da drunten?".
"Die da" war die Bergrettung. Und was sie machten: sie trugen
einen toten Kletterer weg, welche Solo in einer Route links von uns unterwegs
war, und der durch Steinschlag von oben den Halt verloren hatte. Nicht
gut, wenn man solo unterwegs ist.
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