Klettern ist praktisch immer ein Teamsport: einer klettert, der andere sichert. Und Abstürze können nicht nur durch einen Fehler beim Klettern, sondern auch durch einen Fehler beim Sichern erfolgen. Anbei zwei Beispiele, wie in einer vermeintlich „sicheren“ Situation – beim Ablassen in einer Kletterwand oder von einer Ein-Seillängen Route – erfahrenen Kletterern folgenschwere Unfälle passierten:

Beitrag Thomas Haslwanter

„Denn erstens kommt es anders ...

... und zweitens als man denkt.“ Nach 20 Jahren Klettern im alpinen Gelände, von Sportkletterrouten in Sardinien bis zu „sporty climbs“ (wie es die Engländer nennen) im Lake Distrikt und Nord-Wales, von gefrorenen schweizer Wasserfällen bis zu wasserlosen Klettereien mit langen Runouts in der kalifornischen Wüste und im australischen Busch, ganz zu schweigen von den tausenden von Klettermetern durch brüchigen Karwendelkalk: mit einem Unfall bei Ablassen von einer Route im Schwierigkeitsgrad IV- hatte ich wirklich nicht gerechnet – und deshalb ist er wahrscheinlich passiert.

Der Unfallhergang im Detail: ich ging mit einer Arbeitskollegin, die viel am Berg unterwegs aber noch nie Klettern gegangen war, über Mittag in eine Kletterhalle, um ein wenig zu trainieren. Da ich am Morgen zwar auf der Fahrt zur Arbeit noch dran gedacht hatte, für sie einen HMS-Karabiner mitzunehmen, dann aber zu faul gewesen war, nochmals umzukehren und den Karabiner im Keller zu holen, hatten wir nur ein Gri-Gri mit (Fehler 1). Einmal in der Halle angekommen, stellte ich dann auch noch fest, dass uns nur noch 2 Stunden blieben, bevor wir wieder zurück zur Arbeit mussten. Ich entschied mich also, gleich mit dem Klettern zu beginnen (Fehler 2), und ihr einfach jeden Handgriff genau anzusagen. Zum Einwärmen stieg ich in eine 6b Route ein. Nach ca. 3m bat ich meine Partnerin, die Hände vom Gri-Gri zu nehmen, und hüpfte ins Seil, um ihr die Funktionsweise eines Gri-Gri zu demonstrieren. Danach kletterte ich die Route, schaute ihr aber bei jedem Handgriff zu. Beim Ablassen hielt ich mich dann noch selbst am Seil fest, bis das Gri-Gri blockiert war, und bat sie dann, mich abzulassen. Da ihre rechte Hand etwas am Seil zog, während die Linke den Entriegelungshebel betätigte, ging das Ablassen nur ruckweise weiter. Daher sagte ich ihr, sie sollte mit der rechten Hand das Seil loslassen, und dann langsam den Entriegelungshebel ziehen (Fehler 3). Das ermöglichte dann ein sanftes, ruckloses Ablassen. Im vollen Vertrauen auf meine Erfahrung, und nach dem erfolgreichen Abschluss der ersten Kletterroute, meinte meine Partnerin nun, die Grundlagen des Sicherns verstanden zu haben (Fehler 4).

Als nächstes wollte ich ihr nun ein Toprope in einer leichten Route einhängen. Ich band mich wieder ein, stellte sicher, dass das Gri-Gri richtig eingehängt war, und schärfte meiner Partnerin ein, im Zweifelsfalle einfach alles loszulassen, da das Gri-Gri dann von selbst blockiert. 30 Sekunden später war ich am Umlenkhaken, klickte ihn ein, und stieg ca. 2 m ab. Beim Blick nach unten sah ich dabei, dass meine Seilpartnerin eine Seilschlaufe von ca. 1m in der Hand hielt. Im vollen Vertrauen auf das Funktionieren des Gri-Gri’s (Fehler 5) (ich hatte ihr ja gesagt, dass sie im Zweifelsfalle nur loslassen müsse), und in der Annahme, dass meine Partnerin nur das machen würde, was ich ihr explizit sage, hatte ich nun plötzlich die Idee, ohne Vorwarnung ins Seil zu springen (Fehler 6). Dadurch würde sie sich an das plötzliche Blockieren des Gri-Gri’s gewöhnen, und würde bei den schweren Routen, die ich anschliessend versuchen wollte, nicht erschrecken, wenn ich plötzlich ins Seil stürzte. Ich hüpfte also in ca. 10m Höhe ins Seil ......... und stürzte ungebremst auf den Boden.

Aus der Sicht meiner Partnerin betrachtet, war ich plötzlich, viel zu schnell, beim Umlenkhaken. „Was muss nun für das Ablassen gemacht werden?“ – ging es ihr durch den Kopf. Sie erinnerte sich daran, dass ich ihr gesagt hatte, die rechte Hand vom Seil zu nehmen, und dann das Gri-Gri zu entriegeln. Das hatte ja auch bei der letzten Route gut funktioniert. Allerdings vergass sie dabei, dass bei dieser Prozedur bei der ersten Route das Seil bereits belastet war (Fehler 7) ...... Als sie nach oben blickte, kam ich bereits auf sie zugestürzt. Und im Schock fror sie ein, und dachte nicht mehr daran, das Gri-Gri loszulassen (Fehler 8).

Das Ergebnis: ein gebrochener Rücken, eine partielle Querschnittslähmung, und noch nicht absehbare Auswirkungen auf meinen bisherigen Lebenswandel. Vielleicht kann ich in ein paar Monaten wieder laufen, vielleicht bekomme ich doch noch ein wenig Kontrolle über Blasen- und Darm-Funktion, vielleicht spüre ich mein Gesäss irgendwann wieder, vielleicht .....

Noch ein paar Worte zu den Fehlern:

Fehler 1: Gri-Gri’s sind zwar tolle Geräte. Aber sie haben einen entscheidenden Schwachpunkt: die Bedienung ist gegen jede Intuition. Im Notfall muss man loslassen, nicht irgendwie zudrücken. Sollte man ein ein Gri-Gri in die Hände eines Anfängers geben, so sollte man dieses un-intuitive Handhabung mehrmals üben und einschärfen.

Fehler 2: „Vom Hudeln kommen die Kinder“, und nicht nur die. Klettern ist gefährlich, und wenn man 3m über dem Boden steht, dann kann man auch schon 3m abstürzen. Man sollte sich mit Anfängern unbedingt Zeit nehmen, und ihnen nicht die nicht offensichtlichen, aber tatsächlich bestehenden Gefahren wirklich klarmachen.

Fehler 3: Die Sicherungshand soll beim Ablassen immer am Seil bleiben. Bei mir war diese kleine Fehlinstruktion – obwohl im Moment adäqat – im Endeffekt fast tödlich.

Fehler 4: Nach Murphy’s Gesetz – und leider auch meiner Erfahrung –  wird alles, was schiefgehen kann, irgendwann schiefgehen. Bei fast allen meinen Freunden, die tödlich abgestürzt sind, dachte ich mir: „na klar, so darf man das halt nicht machen“. Aber genauso etwas Dummes ist mir dann selbst widerfahren. Also: fühle Dich nie ganz sicher. Und nochmals: unterschätze nie die Gefahr, auch in der Halle.

Fehler 5: Es gibt noch kein Sicherungsgerät, das ganz sicher ist. Nachdem ich dem Betreiber der Kletterhalle, in der dieser Unfall geschah, nahe legte, Gri-Gri’s zu verbieten, erzählte mir dieser, dass ein paar Wochen zuvor ein mit Halbmastwurf (HMS) gesicherter Kletterer auf den Boden knallte: er war viel schwerer als sein Partner, und mit übermässig dynamischer Sicherung kam er dann verdammt dynamisch am Boden auf.

Fehler 6: Man sollte beim Klettern – wenn möglich – alle wichtigen Dinge verbal wiederholen und mit dem Partner absprechen. IMMER! Ich alleine kenne drei Kletterer, die nach erfolgreicher Begehung einer ein-Seillängenroute dachten, dass ihr Kletterpartner sie ablässt – aber dass dieser dachte, sie würden sich selbst abseilen. Alle kamen glücklicherweise a) ins Spital, und b) ohne bleibende Schäden davon.

Fehler 7: Kleine Ursache, grosse Wirkung: man sollte sich nie allzu sehr auf die „Routine“ verlassen (besonders mit wenig Erfahrung).

Fehler 8: siehe Fehler 1.

Beitrag Petros Doan

„Noch ein letzter Aufstieg…

Wir waren nur für einen kurzen Nachmittag, unweit von uns zu Hause, klettern gegangen. Das Wetter war sonnig, unter uns eine wunderbare Sicht aufs Tal.  Die Stimmung war super, die Einen kletterten, die Anderen sangen! Als es dann Zeit wurde nach Hause zu gehen, fragte mein Bruder: „Wer macht noch einen letzten Aufstieg?“ Die Route war nicht schwer (Grad 5), der einzige „Hacken“ der Route war, dass die Länge unseres Seils gerade ausreichte, wenn man von einer kleinen Anhöhe (2 m) über dem Boden startete und sicherte. Zügig kletterte ich hoch zum Wendepunkt. Zügig liess mich auch mein Bruder wieder runter abseilen bis ich plötzlich,  (4 m über dem Boden) spürte, dass keine Spannung mehr im Seil war…  Der Grund, mein Bruder hatte seinen 2 m-hohen Standpunkt gedankenlos verlassen und sicherte aus Bodenhöhe. Plötzlich rannte ihm das Seilende zwischen die Hände durch! Die Landung war nicht optimal,  Gott sei Dank „nur“ ein offener Bruch des Schienenbeins und Wadenbeins, zwei Risse in der Ferse, gequetschte Rippen, 3 Stunden machtloses Warten auf dem Transport zum Spital, 4 Wochen Rollstuhl, 4 Monate Krücken und einen „fixateur externe“ am Bein.

Wichtig:

(1)     Beim Sichern IMMER konzentrieren. Der kleinste Fehler, und schon ist es passiert.

(2)     Beim Ablassen des Partners, NIE das Seil in den Händen gleiten lassen, sondern mit festen Handgriffen  Seil geben!

(3)     Ein Knoten am Ende des Seils könnte die letzte, lebensrettende Bremse sein!

Thomas Haslwanter, Last modified 2 May, 2012